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Raimund Löw im Interview mit Petra Hartlieb

über die Institution EU, Brüssel und den neuen Roman von Robert Menasse „Die Hauptstadt“

Petra Hartlieb: Du kennst Brüssel und die Institution EU aus dem Inneren

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. Hat Robert Menasse eine EU beschrieben, die du auch kennst?
Raimund Löw: Absolut. Er hat gezeigt, wie es funktioniert, wenn 28 Hauptstädte jeden Tag Beamte nach Brüssel schicken, die dort Allianzen schmieden mit Leuten, die ständig vor Ort sind, die aber auch menschliche Bedürfnisse und einen Alltag haben, und wie dann aus dem Ganzen irgendetwas wird. Und es ist immer gleich, wie so etwas entsteht. Große Gemeinschaften funktionieren so, das ist anders als das Funktionieren einer kleinen Stadt, eines Dorfes, in dem man jeden Zweiten kennt.
Und Menasse zeigt auf, dass das alles Menschen sind und dass sie gleichzeitig auch Interessen haben. Das Ziel ist, etwas zu schaffen, das über die unmittelbaren nationalstaatlichen Vorstellungen hinausgeht. Im Roman scheitert es.

Ein Protagonist des Buches ist die Stadt Brüssel. Menasse zeigt auf, dass Europa keine Hauptstadt hat. Würde es Europa besser gehen, wenn das anders ­wäre?
Selbstverständlich. Die Tatsache, dass es keine Hauptstadt gibt, ist ein Beweis dafür, dass die National­staaten keine Kompetenz abgeben wollen. Es hat ja auch gedauert, dass die Gipfel in Brüssel stattfinden, vorher mussten sie immer andere Hauptstädte abhalten, was ein irrer Aufwand an Sicherheit, Logistik etc. war. Nur die Vernunft des Sparstifts hat das beendet. Weniger vernünftig ist, dass man nicht wirklich eine Art von Führung installiert. Denn Brüssel ist – und das zeigt Robert Menasse ganz deutlich – keine Führung. Man einigt sich meist auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Das ist nicht Führung. Etwas Gemeinsames braucht immer Führung. Das hat schon Lenin für die Arbeiterbewegung gesagt und das stimmt für alle politischen Einheiten.

Laut Menasse wird es aber in absehbarer Zukunft keine europäische Hauptstadt geben.
Das weiß man nicht. Die Geschichte ist voller Entwicklungen. Wenn man eine große Hürde überwinden müsste oder es einen Außenfeind oder eine andere Notsituation gäbe, könnten bestehende Dinge geändert werden. Mit den bestehenden Machtstrukturen geht es nicht, das stimmt. Aber so kann man weder in der globalisierten Welt eine Rolle spielen noch wirklich Sicherheit für die Bürger schaffen. Also ist das sowieso eine Sackgasse.
Lebt die Idee „Europa“ in Brüssel noch?
Absolut. Und das hat ja auch Robert Menasse beeindruckt. Er ist damals sehr skeptisch nach Brüssel gekommen und wollte ein Buch schreiben, in dem er erklärt, wie schlecht alles funktioniert und nur von Konzernen kontrolliert wird. Und hat dann diese größere, lebendige Idee gespürt. So etwas hat man in allen größeren Gemeinschaften. Auch in seit Jahrhunderten bestehenden gemeinsamen Staaten, wie etwa den USA, steht dahinter immer die Idee. Die Idee der Freiheit, die Idee des Völkergemisches, und das wird ununterbrochen rezipiert, obwohl ja auch jeder ständig um seine Interessen kämpft. Aber die Idee hält alles zusammen. Und Europa ist genauso. Wien, Berlin, Paris … die sind ganz weit weg von dieser Vision. Brüssel nicht. Durch die Institutionen von Brüssel geht dieser Geist: Versöhnung nach ’45 leben, Verteidigung der gemeinsamen Idee von sozialer Sicherheit und Sozialstaat und dass man gemeinsam etwas zu sagen hat in der Welt. Das ist es, was Europa ausmacht. Das ist in Brüssel bei jedem hart gesottenen Beamten mehr vorhanden als in Wien oder Berlin.
Natürlich ist die Bürokratie in Brüssel größer als die von St. Veit an der Glan. Aber sie ist schlanker als in jeder europäischen Hauptstadt. In Brüssel gibt es weniger Beamte als in Wien, aber sie sind zuständig für ein paar hundert Millionen Menschen. Ich habe die Bürokratie in der UNO in Washington und China kennengelernt und die der EU ist sicher die am besten qualifizierte, multinationale Bürokratie der Welt, ­keine Frage.

War der Buchpreis für Robert Menasse überraschend für dich?
Es spricht für den Buchpreis, denn selbstverständlich muss das beste Buch des Jahres den Buchpreis be­kommen.

 

Raimund Löw ist langjähriger ORF-Korrespondent und Kolumnist des.Falter“