Roman der frühen Jahre
Spätsommer 2016 oder 2017 in Italien. Der Schriftsteller Bodo Kirchhoff sitzt im Hotel und schreibt. Er sitzt im selben Zimmer, auf dem selben Balkon, in dem seine Eltern sechzig Jahre vor ihm saßen, sich liebten, den letzten kurzen Urlaub vor dem scheitern ihrer Ehe verbrachten. Jetzt ist es der Sohn, der Schriftsteller, längst selbst fast 70 Jahre alt, der auf dem Balkon sitzt und diese Tage vor 60 Jahren imaginiert, bei denen er nicht dabei war. Er erinnert sich an seine Eltern, seine Schwester, an die Großmutter und erinnernd schreibt er die Geschichte seines Lebens, seines Werdens. Beginnend mit den Erinnerungen an einen ersten Urlaub mit der Mutter. An seine langen Jahre im Internat, seiner frühe Entdeckung der Sexualität, der Pubertät, das erste Verliebtsein, die Zeit bei der Bundeswehr und dem Studium.
Ohne falsche Sentimentalität, ohne Kitsch und Peinlichkeit werden wir als Leser Zeuge der intimsten Gedanken und Handlungen eines Jungen, Jugendlichen, jungen Erwachsenen. Der Roman endet mit der Abgabe seines ersten Textes beim Suhrkamp Verlag zu Beginn der siebziger Jahre.
Wechselnd zwischen Schreib-Gegenwart im Hotel Beau Sejour – Schöner Aufenthalt – Beschreibungen von Besuchen bei der greisen Mutter in den letzten Jahren und Rückblicken in seine Kindheit und Jugend zeichnet Kirchoff ein zartes und gleichzeitig grausames Bild seiner Familie, seines Lebens und seiner Generation.
Obwohl Kirchhoff genau 20 Jahre älter ist als ich, hatte ich bei der Lektüre Erinnerung an die eigene Kindheit, die eigene Internatszeit (wobei meine im Vergleich zu seiner geradezu harmlos gewesen ist) und trotz des Altersabstandes von einer Generation, schreibt er über Bücher und Autoren, die auch für mich große Entdeckungen waren ( Jean-Paul Sartre, Jean Genet, Hubert Fichte, Hans-Henny Jahnn…). Ich habe schon lange kein Buch gelesen, von dem ich mir so sehr gewünscht hätte, es möge nicht aufhören, würde immer weiter erzählen. Diese Geschichte eines Suchenden, weiter erzählen bis in die Gegenwart des heute 70 jährigen Bodo Kirchhoff.