Lesen ist wundervoll.

Währinger Straße 122, 1180 Wien
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Öffnungszeiten:

  • Mo. – Fr.: 09:30 – 18:30
  • Sa.:            09:00 – 13:00

 

Peter Henisch

Erfreulicher Magnetismus

Obgleich ich Wien gut kenne, entdeckte ich den 18. Bezirk für mich erst spät. Währing war für mich ein weißer Fleck auf dem Stadtplan. Das änderte sich erst, als ich an meinem Roman Eine sehr kleine Frau schrieb. Da versetzte ich mich in die Haut eines Mannes, der nach vielen Jahren im Ausland nach Wien zurückkommt.
Paul Spielmann hieß der. Arbeitshypothetisch spielte ich seine Rolle und sah den Bezirk, in dem er sich vorerst einquartierte, mit seinen Augen. Nach fast einem Vierteljahrhundert Abwesenheit fremdelte er noch ein wenig. Aber durch die Atmosphäre einer kleinen Buchhandlung fühlte er sich angeheimelt.
„Das Geschäft machte nicht den Eindruck eines Supermarkts“, schrieb ich, „sondern den einer schönen, alten Delikatessenhandlung. Ich trat ein und schnupperte. Ja, hier roch es gut. Hier roch es nach Geist in durchwegs anregenden Gewürzmischungen. Bücher vom Boden bis zum Plafond. So etwas hatte ich immer geliebt.“
Genau. Was das betraf, hatten Paul Spielmann und ich denselben Geschmack.
Was uns aber besonders imponierte, war das Foto des großen Schriftstellerkollegen Doderer. „Es zeigte den Mann in mitreißender Bewegung. Obwohl er saß – nämlich an einem Tisch mit einem aufgeschlagenen Buch.“
Damals war dieses Bild noch für alle Besucher der Buchhandlung zu sehen. Nach dem Umbau bekamen es eine Zeitlang nur mehr diejenigen zu Gesicht, die mit den Hartliebs befreundet oder frech genug waren, in Bereiche vorzudringen, in denen Kunden eigentlich nichts zu suchen hatten. Das fand ich etwas schade. Aber inzwischen, höre ich, ist es in Hartliebs zweite Buchhandlung in Wien 9 übergesiedelt. Nicht weit von der Strudlhofstiege. Doderers Geist wird sich freuen.
Übrigens steht und fällt die Atmosphäre nicht mit dem Bild eines toten Dichters. Es ist schön, wenn ab und zu die lebenden zu Besuch kommen. Ich komme demnächst auch in die Porzellangasse, versprochen! Vor allem aber ist es schön, wenn die Leserinnen und Leser sich nach wie vor (und nun doppelt) angezogen fühlen – Buchhandlungen mit so engagierten
Betreibern und Mitarbeitern haben ihren eigenen Magnetismus.