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Not my government!

Juli 2018

Was für eine Frau! Also man wusste das ja schon, wenn man ihre Romane und Essays gelesen hat oder ihre Reden verfolgt. Aber dann steht sie vor einem: groß, mit einem schwarzen Kleid, tollen Schuhen, einem roten Tuch als Turban um den Kopf geschlungen, und meine somalische Freundin Suad, die mich zur Preisverleihung nach Salzburg begleitet hat, ist im Glück: „Ich bin nicht die einzige schwarze Frau mit einem Tuch auf dem Kopf“, flüstert sie mir breit lächelnd zu. Und dann reden wir mit ihr, Zadie fragt Suad nach ihre Lebensgeschichte und Suad erzählt ihre Odyssee durch viele Länder. Natürlich tauschen die beiden ihre Mailadressen aus!

Zadie Smith,die am Freitag den österreichischen Staatspreis für europäische Literatur verliehen bekommen hat, ist eine außergewöhnliche Frau. Die Preisverleihung am Nachmittag des Tages der Eröffnung der Salzburger Festspiele, Mozarteum. Ein Saal voller honoriger Menschen, Kulturschaffende, Verleger, Theaterdirektoren, der Landeshauptmann. Alle warten still auf Minister Gernot Blümel, der fünfzehn Minuten zu spät kommt. Zadie Smith sitzt in der ersten Reihe, erst wartet sie genauso geduldig wie der Rest im Saal und dann lauscht sie aufmerksam Blümels Begrüßungsworten, die ihr von einer Übersetzerin hinter ihr eingeflüstert werden. Belanglose Worthülsen, ein paar Plattitüden.

Bei der Überreichung des Preises tritt der Minister bestimmt auf, zeigt der Preisträgerin mit einer herrischen Geste, wohin sie sich stellen soll, damit die Fotografen zufrieden sind. Er überreicht ihr die Urkunde, lächelt in die Kameras und gibt der Autorin nicht die Hand. Die Laudatio von Norbert Mayer, Die Presse und dann nützt Minister Blümel samt Büro den kurzen Applaus um den Saal zu verlassen. Ja eh, Festspiele. Ja eh, Ratspräsidentschaft. Ja eh. Wichtige Termine. Er musste schließlich mit den Staatsgästen und vielen HonoratiorInnen schon Mittagessen und am Abend steht auch noch die Zauberflöte auf dem Programm. Trotzdem. Er geht mittendrin, stiehlt sich raus, bevor Zadie Smith auf die Bühne geht und ihre Dankesrede hält.

Das gehört sich nicht, nicht mal wenn Festspiele sind und er der Kulturminister. Denn er ist eben der Kulturminister, der den wichtigsten Literaturpreis des Landes vergeben soll.

Normalerweise ist diese Preisverleihung am Tag vor oder auch einen Tag nach der Eröffnung der Festspiele. Das würde auch Sinn machen, denn der Eröffnungstag ist dicht gedrängt für alle Beteiligten. Doch Minister Blümel hat auf diesem Termin bestanden, nur an diesem Tag, zu diesem Zeitpunkt könne er und es wäre ihm so wichtig, dabei zu sein. Und bleibt dann genau zwanzig Minuten? Hat auf diesem Tag bestanden, obwohl Daniel Kehlmann als Laudator angefragt war und der hätte das sehr, sehr gerne gemacht. Nur just an diesem einen Tag konnte Kehlmann nicht, er hatte eine anderwärtige Verpflichtung, die sich nicht mehr verschieben ließ . Das Büro des Ministers und Herr Kehlmann haben sich sehr bemüht, diese Laudatio möglich zu machen. Doch es musste dieser Nachmittag sein. Und dann kam Herr Minister Blümel fünfzehn Minuten zu spät und ging dreißig Minuten zu früh.

Könnte der Grund gewesen sein, dass er die Rede nicht hören wollte? Hat er sie vielleicht sogar vorher gelesen und wollte sich dieses Sitzen in der ersten Reihe ersparen? Er wäre wohl ein wenig einsam gewesen – nicht so wie damals bei der vielbeachteten Köhlmeier-Rede, da war schließlich die gesamte Regierung versammelt und konnte sich zumindest aufmunternde Blicke zu werfen. Hier wäre er allein gesessen und hätte sich anhören müssen, wie Zadie Smith über ein offenes Europa spricht. Ein Europa, das seit Jahrhunderten ein bunter Mix aus verschiedenen Kulturen ist. Eine Rede, in der die Schriftstellerin ihre eigene Hautfarbe thematisiert, ihre braune Haut in einem Meer aus Weiß, wie sie sagt.

Zadie Smith ist gut vorbereitet, sie weiß, welcher Geist durch dieses Land weht, durch dieses Land, das ihr gerade einen hohen Staatspreis verliehen hat. Sie nennt keine Namen, keine Parteien, verwendet nicht den Begriff „Schließung der Flüchtlingsroute“, spricht nicht über die Festung Europa und die rechten Allianzen, die die Nationalstaaten wieder stärken wollen. Sie erzählt von der Schlagkraft des Faschismus, der sich auf Gefühle beruft, Gefühle, die geschürt werden, um dann zur Beruhigung einfache Antworten zu präsentieren, denn zum Glück gibt es ja immer welche, die laut aussprechen, was andere empfinden: Blut, Boden, Heimat. Über das spricht sie und über vieles mehr, und der Applaus, den sie erntet, ist laut und ausdauernd. Ein berührender Moment, und gleichzeitig schäme ich mich für die Unhöflichkeit gegenüber Zadie Smith aus tiefstem Herzen.