Lesen ist wundervoll.

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Am Samstag, 13. Juli 2024 haben wir wegen Betriebsausflug geschlossen!

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Mit den Ohren lesen

von Oliver Hartlieb

 

Als ich Kind war, beschlossen meine Eltern, sich eine Stereoanlage zu kaufen. Es war Anfang der 1970er-Jahre, wir wohnten im siebten Stock eines Hochhauses, und das Geld saß nicht gerade locker – also eine große Sache, so eine Stereoanlage! Mein Vater hörte dann am Samstag oder Sonntag Sendungen über Stereofonie: „Jetzt hören Sie Ihren linken Lautsprecher – die Musik kommt gleich aus dem rechten Lautsprecher…“

Das Beste an der Sache war jedoch, dass die alte Musiktruhe meiner Eltern, oben ein Radio mit Röhren und Skala (AFN-Stuttgart, Hilversum, Monte Carlo, Moskau), Mittelwelle, Kurzwelle, UKW, unten ein Plattenspieler, in mein Zimmer kam. An Platten hatten meine Geschwister und ich: Der gestiefelte Kater, Till Eulenspiegel, die Reise Durchs wilde Kurdistan, Der Schut und SOS in Seenot. Letzteres war ein Hörspiel über einen Funker und ein in Not geratenes Schiff, es war so aufregend, dass ich mehrmals aufs Klo musste – immer dann, wenn ich die Spannung nicht mehr aushielt. Die Platten hatten wir alle schon tausendmal gehört, doch jetzt hatte ich ein Radio im Zimmer! Mittwochs das Wunschkonzert und dienstags und donnerstags ein Hörspiel. Jahrelang habe ich vor dem Einschlafen Radio gehört, und oft war es dann gar nicht so einfach mit dem Schlafen…

In den 1980er-Jahren erschien die Reihe Rowohlt Kopfhörer, Kassetten auf denen Schauspieler Bücher vorlasen. Hemingway, Jelinek, Camus, Nabokov… und dann gab es den kompletten Herr der Ringe auf
14 Kassetten! Heute erscheinen viele Romane gleichzeitig als Hörfassung, und auch wenn ich nicht mehr vor dem Einschlafen höre, so doch beim Kochen, am Schreibtisch, beim Ablegen von Rechnungen und vor allem: im Auto.

Unsere Tochter hatte natürlich ihren ersten Sony, ideal für Reisen von Wien nach Hamburg und zurück, auf denen sie sämtliche Connie-Geschichten hörte, Balladen, den Sängerkrieg der Heidehasen und später Harry Potter.

Wenn Mann/Frau also nicht zum Lesen kommt, weil es zu dunkel, zu heiß, er/sie zu beschäftigt oder im Auto, Zug oder Flugzeug ist, kann man wunderbar mit den Ohren lesen, manchmal kommt man dadurch Texten sogar noch näher, empfindet sie noch tiefer.

Probieren Sie es aus!