Lesen ist wundervoll.

Währinger Straße 122, 1180 Wien
+43 1 942 75 89
1180@hartliebs.at

Öffnungszeiten:

Am Samstag, 13. Juli 2024 haben wir wegen Betriebsausflug geschlossen!

  • Mo. – Fr.: 09:30 – 18:30
  • Sa.:            09:00 – 13:00

 

Mankell war nicht da

Kennen Sie Bastad? Ich denke nicht! Ausser Sie wären ein glühender Tennisfan.
Bastad ist ein kleiner Ort in Schweden, genauer gesagt an der Westküste. Sandstrand, Badepier und kleiner Yachthafen mit schwedenroten Fischerhütten rundherum. Postkarten Hafenidylle pur.
In Bastad gibt es das – meines Wissens nach – einzige Tennismuseum Europas, wenn nicht auf der Welt. Gleich daneben ist ein Tennis-Centercourt mit Zuschauerrängen von Kitzbüheler Dimensionen. Nur sieht man hier von den oberen Rängen nicht auf die durch den Wintertourismus zerstörten braunen Berghänge, sondern auf den weißen Sandstrand und das Meer.
Wenn man von dort aus das Kopfsteinpflaster bergauf geht, vorbei an bunten Holzhäusern, die alle so aussehen, als hätte sie der Ortsverschönerungsverein extra für Gäste aufgebaut, kommt man zu einer Hauptstrasse mit kleinen Geschäften und Boutiquen. Und dort gibt es – so wie in fast jedem schwedischen Dorf – einen Bokhandel, also eine Buchhandlung.

In Schweden wird viel gelesen – die Winter sind lang, kalt und finster, die Welt dort draussen vor jedem Dorf voller Feen, Trollen, Wikingersagas, schwermütigen Lebensbetrachtungen in der Sauna, lustigem Midsommars-Familiengeschichten und natürlich Kriminalfällen.
Dazu kommt noch, dass die schwedischen Kinder in der Schule anders lesen lernen, nämlich in Zusammenhängen und sinnerfassend, während die österreichischen Kinder Buchstabe für Buchstabe vorwärtsstolpern und am Ende des Satzes nicht mehr wissen, was am Anfang stand.
Aus diesem Grund lesen Schweden auch schneller und offensichtlich mehr. In Schweden werden europaweit die meisten Bücher gelesen (EU Bericht 2013) und Schweden hat 6 Literaturnobelpreisträger.
Aus diesem Grund findet man in jedem größeren Dorf einen Bokhandel und natürlich auch eine Bibliothek. Diese sind öfters in alten Häusern untergebracht in Verbindung mit einem Heimat/Ortsmuseum. Jeder Ort hat was zu erzählen, und darauf sind die Schweden stolz und das ist gut so!
Natürlich habe ich einige Bokhandel in Schweden gesehen! Wo ich eine entdeckte, ging ich hinein, oder lugte wenigstens neugierig durch die immer und überall offenen Türen hinein. Aber auch schon beim reinen „Hineinschauen“ kam ich zumeist mit den Besitzern ins Gespräch. Das ist in Schweden eben so. Man redet gerne mit anderen. Und da alle sehr gut Englisch können, gibt es kaum Sprachbarrieren (versuchen Sie einmal in Langenlebarn/NÖ mit jemanden in einem Geschäft Englischkonversation zu machen…)

Mal gab es in den Geschäften viel Holz mit klassischen Regalen, mal zeitgenössisches Design, mal einen Ikea-Mix aus open house Wohnzimmer/Buchgeschäft/Cafe/Bistro/Jugendtreff, aber immer mit Lesetischen oder Sofas locker im ganzen Raum verteilt. Man soll sich eben wohlfühlen, schmökern, stöbern und kaufen.

Aber diese in Bastad bleibt mir besonders im Gedächtnis, da sie in einen alten Wirtschaftshof (evenuell war es früher auch mal ein Kontor) integriert war und sich dahinter noch zwei weitere Gebäude befinden – sozusagen der Hof – die aber auch dazugehörig sind. In einem der beiden Gebäude ist ein Cafe untergebracht, der andere – längere Teil – dient für Lesungen, Ausstellungen oder Events.

Man kann in Ruhe in der Buchhandlung verweilen und sich dann in den wunderbar grünen Hof mit einer riesigen Linde setzen, einen Kaffe trinken, dazu einen Bläbär (Heidelbeer) Kuchen essen und sich einfach der Tatsache erfreuen, dass es so etwas gibt.

Das Angebot in der Buchhandlung ist sicherlich klassisch (ich kann kein schwedisch, aber kann aufgrund von Buchformen/Grössen-Titel-Aufmachungen eigentlich ganz gut abschätzen was hier angeboten wird), mit einem Schwerpunkt auf Tennis (warum bloß??), Segeln und Fotografie. Aushängetafeln künden von bevorstehenden Konzerten und Vernissagen. Demnächst gibt’s eine Foto-Ausstellung. Die Buchhandlung als kleines Zentrum der Kultur.
Ich setze mich also in den Hof, blättere in einem tollen Fotographieband, trinke einen Tee, ess einen Bläbärkuchen, höre den Schweden beim Tratschen zu, stelle mir vor, dass hier am Nebentisch auch Henning Mankell hätte sitzen können und freue mich auf einen Spazierganz am weissen Strand.