Lesen ist wundervoll.

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Öffnungszeiten:

Am Samstag, 13. Juli 2024 haben wir wegen Betriebsausflug geschlossen!

  • Mo. – Fr.: 09:30 – 18:30
  • Sa.:            09:00 – 13:00

 

Himmel und Hölle

von Radek Knapp

Es ist allgemein bekannt: Autoren meiden Buchhandlungen. Es sei denn, sie sind gut. Gut sind Buchhandlungen, wo man Prozente bekommt, sollte man als Autor in die Zwangslage kommen, das Buch eines anderen Autors kaufen zu müssen. Gut sind Buchhandlungen, wo man von charmanten Buchhandelslehrlingen weiblichen Geschlechts angehimmelt wird, und besonders gut ist die Buchhandlung, die alle deine Werke wie auf einem Altar ausstellt. So eine Buchhandlung existiert leider nicht, aber es gibt so manche, die einen Autor ganz schön verwirren können. Nehmen wir zum Beispiel die Hartliebs. Man wird hier wegen des ständigen Menschenauflaufs als Autor nicht entsprechend angehimmelt. Es gibt dort auch keinen Altar, wo meine Bücher regelmäßig mit Myrrhe beräuchert werden. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, hat die Hartlieb die Angewohnheit, selbst Bücher zu verfassen und sie in Auflagen zu verkaufen, von denen die meisten Autoren nur träumen können. Gut, ich muss zugeben, das ich gelegentlich Prozente bekomme, und einmal stand mein Buch sogar in der Auslage. Aber dass ist es nicht. Hier sind Leute am Werk, die etwas besitzen, was ich von meinesgleichen nicht kenne: Sie lieben Literatur, und sie lesen sie auch noch. Mehr noch, sie scheinen mit Büchern glücklicher zu sein als die meisten Autorenkollegen, die ich kenne. Wie oft bin ich schon – als ich drauf und dran war, die Schreibmaschine aus dem Fenster zu werfen – hingegangen und habe heimlich diese Literaturbegeisterten beobachtet. Und jedes Mal war es dasselbe: Die Lust aufs Schreiben stellte sich zwar nicht gleich wieder ein, aber wenigstens dachte ich: „Ach, würden die Hartliebs auch noch unter dem Ladentisch Wein verkaufen, wäre es wirklich ein sehr erträglicher Ort.“

Daher sehe ich es längst nicht mehr als Fluch, so nah an einer Buchhandlung zu wohnen. Im Gegenteil. Allein im letzten Jahr, musste ich dutzende Male zu den Hartliebs hinlaufen, um meine Laune zu bessern. Zum Glück ist es nicht weit. Ich bin sogar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Autor, der am nächsten an dieser Buchhandlung wohnt. Es sind ungefähr hunderfünzig Schritte, mal mehr, mal weniger, je nach Tag und Verfassung. Wer es nicht glaubt, kann es mit einem Maßband abmessen. Ich helfe ihm gern dabei. Gegen ein Glas Wein, versteht sich.