Lesen ist wundervoll.

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Am Samstag, 13. Juli 2024 haben wir wegen Betriebsausflug geschlossen!

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Die schöne Bitte

 

Familiengeschichten haben wir schon viele gelesen. Auch Familiengeschichten mit bösen Vätern. An Familiengeschichten mit schrulligen, jüdischen Vätern gibt es ebenfalls keinen Mangel, doch was die junge Historikerin Dana von Suffrin hier erzählt, hat Witz, Empathie und die richtige Portion Bissigkeit – man könnte ihr noch viele Seiten lang folgen.

Das Buch beginnt auf der Intensivstation, auf der Timna, ganz die liebende Tochter, täglich viele Stunden bei ihrem vermeintlich sterbenden Vater Otto verbringt. Doch er macht seinen Kindern einen Strich durch die Rechnung, überlebt und verlässt das Krankenhaus als Pflegefall. Körperliche Schwäche und ein beginnender Alzheimer machen aus dem ohnehin schon schwierigen Vater einen unausstehlichen. Otto, ein Jude aus Siebenbürgern, der zwar nicht im Lager war, aber selbstverständlich trotzdem sein Jüdisch-Sein ständig ins Treffen führt, manipuliert seine Töchter, seine Exfrauen und die ungarische Pflegerin auf perfide Art und Weise. Sein größtes Druckmittel ist die „schöne Bitte“. Erst bittet er um etwas und wenn er nichts erreicht, dann wiederholt er die Bitte nachdrücklich und ein wenig wehleidig: „Ich habe doch so schön gebeten und ihr seid so grausam und ignoriert mich.“

So wird etwa der Arzt, der Otto auffordert, seinen Unterarm für den Venenzugang freizumachen, angefahren, weil Otto ihn vermeintlich dabei ertappt, seine nicht vorhandene Tätowierung sehen zu wollen. Über Ampeln fährt er öfter Mal bei Rot, denn die werden ohnehin von Nazis gesteuert, die nur die Juden ärgern wollen.

Sprachlich bewegt sich von Suffrin souverän zwischen dem nervenden Tonfall des jiddelnden Vaters und der lakonischen Erzählweise der genervten Tochter, und so stört es keinesfalls, dass das Buch manchmal eher als Anekdotensammlung zwischen zwei Krankenhausaufenthalten, denn als Roman erscheint. Sie springt erzähltechnisch durch das lange und bewegte Leben des Vaters, in dem ihre eigene Kindheit nichts als eine weitere Anekdote zu sein scheint und erzählt so, fast beiläufig, eine Geschichte des ganzen Jahrhunderts. Still, unaufgeregt, ohne große Pose und Dana von Suffrin es schafft, von der kindlichen Perspektive in die der reflektiere Erwachsenensichtweise zu springen, sucht ihresgleichen.