Beim Lesen und Verkaufen ist vieles Intuition
Daniel Glattauer interviewt seine Buchhändlerin Petra Hartlieb
(Daniel Glattauer /ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.10.2007)
Mit Petra Hartlieb bin ich seit vielen Jahren befreundet. 1997, als beim Döcker-Verlag mein erstes Buch erschien, hat sie dort die Pressearbeit gemacht. Zwei Jahre später ist sie „der Liebe wegen“ nach Hamburg gezogen. Dort hat sie fünf Jahre als Literaturkritikerin für den NDR, die Financial Times und Ö1 gearbeitet. Aus einer Laune heraus hat sie auf ein Wiener Inserat reagiert – und (zu ihrer großen Über- raschung) tatsächlich jenes kleine Buch- geschäft in der Währinger Straße 122 erworben. Die Familie übersiedelte nach Wien. Seit drei Jahren geht Petra Hartlieb in.Hartliebs Bücher“ ihrem Traumberuf nach, wobei sich Träume in der Realität erfahrungsgemäß relativieren. Nun habe ich mit ihr für den STANDARD einmal ausführlich über ihren Job und die sich daraus ergebenden Buchperspektiven geplaudert.
STANDARD: Wie viele Bücher hast du
Hartlieb: Ungefähr 13.200. Aber viele davon doppelt bis hundertfach. Wir verkaufen sie auf engstem Raum, auf 40 Quadratmeter. Privat, das ist bei uns ein Stockwerk darüber, besitzen wir noch einmal halb so viele. Oft wissen wir nicht mehr, wohin damit.“Buchdruck“ hat in meinem Leben mehrere Bedeutungen.
STANDARD: Magst du den Geruch von Büchern, oder anders gefragt: Kannst du Bücher noch riechen?
Hartlieb: Oh ja, klar, und wie gerne auch noch. Jeden Werktag in der Früh, wenn ich ins Geschäft komme, nehme ich mir ein.Naserl“. Wobei: Alte, abgestandene Bücher rieche ich weniger gern. Ich mag die Neuen, noch verpackten, wenn man das Plastik aufreißt, ah! Die allerbeste Geruchskom- bination: alte Holzregale, neue Bücher und frischer Kaffee. Daraus sollte man ein Parfum herstellen. Und noch etwas: Gut gemachte Bücher riechen besser als billig produzierte. Das wird dir jeder Buchschnüffler bestätigen.
13.000 Bücher auf 40 Quadratmetern: Die Buchhändlerin Petra Hartlieb kennt den Buchmarkt von mehreren Seiten, sie hat früher schon Verlags- und Pressearbeit gemacht.
STANDARD: Erriechst du, ob ein Buch fad oder spannend ist?
Hartlieb: Leider noch nicht.
STANDARD: Also musst auch du die Bücher lesen, um es zu wissen. Wie viele liest du?
Hartlieb: Ich schätze, so an die hundert im Jahr. Manche davon aber nicht ganz.
STANDARD: Ich auch.
Hartlieb: Was, auch hundert im Jahr?
STANDARD: Nein. Manche von denen, die ich lese, nicht ganz
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. Eigentlich die meisten.
Hartlieb: Wie viele liest du?
STANDARD: Sage ich nicht, das ist peinlich. Für mich ist Bücherlesen Arbeit. Ich versuche beim Lesen immer zu analysieren, wie das andere Autoren und Autorinnen gemacht haben, unwillkürlich. Damit nehme ich mir den Genuss. Nur im Urlaub kann ich wirklich entspannt und zügig lesen. Was liest du?
Hartlieb: Belletristik, Krimis, Kinderbücher. Sachbücher selten. Selbstläufer wie Leon, Coelho oder Potter lese ich nie. Und ich lese kaum einmal einen alten Titel. Das passiert nur, wenn er mir von Kunden immer wieder hartnäckig empfohlen wird, wie zum Beispiel der Drachenläufer von Khaled Hosseini, wirklich ein tolles Buch übrigens.
STANDARD: Ein Roman ist ja heute schon nach wenigen Monaten alt. Ein in Österreich durchschnittlich erfolgreicher Frühjahrs- titel, sagen wir 3000 verkaufte Exemplare, hält sich gerade noch bis zur Frankfurter Buchmesse im Oktober, dann kommt schon die neue Garnitur. Und ein im Herbst erschein- endes Buch hat die Chance auf finanziell gesegnete Weihnachten, ehe es in der Regel rasch in Vergessenheit gerät.
Hartlieb: Stimmt. Manchmal ist ein Buch bereits alt, wenn es erscheint. Das liegt an
euch Journalisten, die ihr schon Wochen vorher große Rezensionen bringt. Sehr unangenehm für uns, den Kunden zu erklären, dass es das sattsam besprochene Buch im Handel noch gar nicht gibt.
STANDARD: Du hast Recht, es geht hier um interne Konkurrenz, darum, welches Medium zuerst darüber berichtet hat. Ich finde das auch krank, Lesern und Leserinnen ist völlig wurscht, die wievielte Rezension gerade vor ihnen liegt. Aber für das rasche Altern von Büchern ist auch der Buchhandel verantwort- lich. Kann es sein, dass ihr beim Bestellen (und Nachbestellen) immer vorsichtiger, also feiger werdet?
Hartlieb: Das kann ich nur für mich beantworten, und bei mir ist leider das Gegenteil der Fall. Ich bestelle Bücher, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie ein Erfolg werden, immer in großen Mengen. Momentan geht sicher ein Drittel unserer Arbeitszeit darin auf, Platz für die jeweils neu bestellten Bücher zu finden.
STANDARD: Wie sehr liegt es an dir, an euch Händlern, ob ein Buch ein Erfolg wird oder nicht? Oder verkauft man dem angesagten Erfolg ohnehin immer hinterher?
Hartlieb: Ich glaube, dass wir den Markt schon mächtig beeinflussen. Da kann der Verlag noch so viel Werbung in ein Buch hineinstecken, wenn die Händler es nicht wollen, es nicht vorrätig haben und aktiv verkaufen, verpufft das schnell. Leider versprechen einem die Vertreter oft das Blaue vom Himmel – Fernsehauftritte, ganzseitige Besprechungen, riesige Marketingkampagnen – und wenn das dann nicht realisiert wird, sitzen wir hier auf dem Stapel und kriegen ihn nicht an. Was mich besonders freut, sind hohe Verkaufszahlen jener meiner Lieblingsbücher, die jenseits vom großen Rummel erscheinen.
STANDARD: Du hast bei einem Verlag gearbeitet, du hast Medienarbeit gemacht, du bist Buchhändlerin. Du kennst also verschiedene Seiten. Was, glaubst du, sind die Faktoren eines großen Bucherfolges? Wer ist daran wie stark beteiligt? Zur Auswahl stehen: Verlag (mit PR), Autor/Autorin, Medien, Vertreter, Buchhändler, Kunden, Cover/Buchtitel. Ja und auch der Inhalt irgendwie, nehme ich an.
Hartlieb: Ach, leider, banale Antwort: eine Mischung aus allem. Eine gute Geschichte, ein Cover, das ins Auge sticht und die Stimmung vom Inhalt wiedergibt, genügend Werbung und Pressearbeit, ein rühriger Autor …
STANDARD: Rührig?
Hartlieb: Na ja, ein guter Typ, guter Name, gutes Gesicht, gutes Auftreten, gute Lesungen, guter Schmäh, gute Wortmeldungen, gutes Schweigen. Wenigstens irgendetwas davon sollte er haben.
STANDARD: Genügt nicht, dass er (oder sie) gut schreibt?
Hartlieb: Nein, es genügt erst, wenn die Konsumenten auch davon erfahren, dass es da jemanden gibt, der gut schreibt. Dabei spielt eben die Person des Schreibenden eine wesentliche Rolle.
STANDARD: Was ist überhaupt ein.gutes“ Buch?
Hartlieb: Stelle zehn Personen in einen Raum und frage jeden nach einem guten Buch. Du wirst zehn verschiedene Antworten erhalten.
STANDARD: Zehn Antworten, die ident mit den zehn Plätzen in den Bestsellerlisten sind. Ich habe das Gefühl, dass gerade der Buchmarkt voll vom Ranking-Wahnsinn erfasst worden ist.
Hartlieb: Das mag sein, besonders in Zeiten der verzweifelten Geschenksuche. Wenn man Bücher verschenken möchte, dann orientiert man sich gerne an den aktuellen Hitlisten, frei nach dem Motto: Was da drauf steht, kann ja so schlecht nicht sein.
STANDARD: Noch dazu spiegeln die meisten österreichischen Bestsellerlisten nicht die
tatsächlichen Verkaufszahlen wider. Händler haben bei ihren Angaben die Möglichkeit, Bücher zu bewerben, die schlecht gehen, von denen sie zu viele Exemplare bestellt haben.
Hartlieb: Buchhändler sind gute Menschen, sowas würden sie nie tun.
STANDARD: Wie erklärst du dir eigentlich einen so gigantischen Bucherfolg wie jenen von Daniel Kehlmanns.Vermessung der Welt“ mit mehr als einer Million verkauften Stück?
Hartlieb: Es ist ein kluges Buch mit einer gewaltigen Masse an potenziellen Lesern. Jeder kann es verstehen, es ist unterhaltsam und so geschrieben, dass man, ohne sich groß anzustrengen, das Gefühl hat, etwas gelernt zu haben. Ich glaube nicht, dass Kehlmann das kühl kalkuliert hat, es ist ihm wahrscheinlich einfach so passiert und hat wohl perfekt den Nerv der Zeit getroffen. Vor fünf Jahren, als alle Familien- geschichten lesen wollten, wäre so ein Erfolg wohl nicht zustande gekommen.
STANDARD: Und wir haben jetzt auch wieder ein bisschen Werbung dafür gemacht, damit die.Vermessung“ endlich die Zwei-Millionen- Grenze packt. Aber reden wir von euren Kunden. Wie mündig sind sie? Wer sind dir die liebsten?
Hartlieb: Am mündigsten sind Kinder und Jugendliche. Sie fragen (sich) nicht, was sie wollen. Sie kommen von selbst dahinter. Am liebsten sind mir natürlich all jene
Kunden, mit denen es einen regelmäßigen Austausch über Bücher gibt. Und das kann nicht früh genug beginnen. Die zweijährige Rosa, die quasi ein Pixi-Buch-Abo hat, genauso wie der schwierige Simon, der sich sein.Monatsbuch“ aussucht und dabei auch schon einmal zwei Stunden hier verbringt. Oder die erwachsene Kundin, die bei mir ein Buch kauft, um es mir nachher zu leihen, weil es so toll war.
STANDARD: Wie weißt du, welchem Kunden du welches Buch empfiehlst?
Hartlieb: Viel ist Intuition. Vorsichtiges Nachfragen: Was haben Sie als letztes gelesen? Was ist Ihr Lieblingsbuch? Wenn ich gut drauf bin und nicht völlig überarbeitet, dann macht es unglaublich Spaß, das perfekte Buch zu finden.
STANDARD: Gibt es Frauenbücher und Männerbücher, und welche gehen besser?
Hartlieb: Nachdem zwei Drittel der Buchkäufer Frauen sind, ist es klar, dass es mehr Frauenbücher gibt. Männer greifen eher zu Politkrimis und aktuellen Sachbüchern, sie mögen männliche Romanhelden, historische Stoffe, Krieg, Erfolg, Sport und Strategie.
STANDARD: Und Frauen Beziehungssachen und Liebesangelegenheiten.
STANDARD: Und Buben Brezina und Mädchen Pferdebücher.
Hartlieb: Meine Tochter Emma nicht. Die hasst Mädchenbücher.
STANDARD: Bravo. Dann beginnt mit Emma endlich die Trendumkehr.
(Interview: Daniel Glattauer /ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.10.2007)