Lesen ist wundervoll.

Früher hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich neben meiner Tätigkeit als Buchhändlerin einen anderen Job haben werde, der für mich fast genauso wichtig ist und auch gut zum Bücher verkaufen passt.

Denn als ich mehr oder weniger aus Spaß bei einem Buchmessenmittagessen mit dem Berliner Journalisten Claus-Ulrich Bielefeld beschloss, eine Wien-Berlin-Krimiserie zu starten, konnte ich nicht ahnen, dass das der erste Schritt zu einer zweiten Karriere sein würde.

Und dass wir damit sofort im renommierten Diogenes Verlag landen konnten, war und ist für uns nach wie vor wie ein großes Wunder.

Als dann 2013 ein befreundeter Verleger bei uns im chaotischen Esszimmer saß, rundherum tobte das Weihnachtsgeschäft, das Kind beschwerte sich, weil es schon wieder nichts Warmes zu essen gab, meinte er: „Du solltest ein Buch über dein Leben schreiben.“

„Wen interessiert schon mein Leben“, meinte ich, doch dann habe ich natürlich darüber nachgedacht und schon hab ich zu schreiben begonnen.

Im September 2014 ist „Meine wundervolle Buchhandlung“ erschienen und dieses Buch hat definitiv mein Leben verändert. Ein Dauerseller seit dem Erscheinen, Lesereisen in verschiedene Länder, jede Woche Menschen aus allen Destinationen, die in die Buchhandlung kommen um festzustellen, „dass es hier genauso aussieht, wie im Buch.“

Und wie viele bewegende Briefe, schöne Gespräche und bleibende Begegnungen hat mir dieses Buch beschert!

Nun wird es Zeit, die Buchhändlerin Petra Hartlieb und die Autorin Petra Hartlieb zu trennen, zumindest auf dieser Webseite.

Zu viele Aktivitäten, die nicht unmittelbar mit der Buchhandlung zu tun haben, prägen inzwischen mein Leben. So bin ich – wie Sie sicher alle schon bemerkt haben – nicht mehr jeden Tag in der Buchhandlung, denn wenn man fast jedes Jahr ein Buch schreibt, kann man das irgendwann nicht mehr nachts oder im Urlaub machen. Und unsere großartigen MitarbeiterInnen ermöglichen mir diese „zwei Leben“.

Auf dieser Seite finden Sie in Zukunft alle meine Veröffentlichungen, seien es Bücher oder Zeitungsbeiträge, die Termine meiner Lesungen und vieles mehr.

Willkommen in meinem Leben.

 

Aus Petra Hartlieb,
„Meine wundervolle Buchhandlung“:

„Wir haben eine Buchhandlung gekauft. In Wien. Wir haben eine Mail mit einer Zahl geschrieben, ein Gebot, einen Betrag, den wir gar nicht hatten, und nach einigen Wochen kam die Antwort: Sie haben eine Buchhandlung gekauft! So etwas passiert dir nur bei ebay, wenn du dich hinreißen lässt und mehr bietest als du eigentlich wolltest, weil sich das Kind das Harry-Potter-Lego so sehr wünscht und du dann diese eine Zahl hingeschrieben hast und keiner, verdammt noch mal keiner, findet sich, der mehr bietet. Und nun haben wir für eine Buchhandlung geboten, in einer Stadt, in der wir nicht leben, mit Geld, das wir nicht haben. Und haben sie bekommen. Und jetzt? Jetzt müssen wir das durchziehen.
Durchziehen heißt: Oliver kündigt seinen guten und gutbezahlten Job in einem großen, deutschen Verlag. Ich verabschiede mich vom Gedanken Literaturkritikerin zu sein, gebe meinen Funkhausausweis zurück und beichte den Mädels aus der coolen Bürogemeinschaft im Hamburger Schanzenviertel, dass sie sich ein neue Mieterin suchen müssen. Wir erklären dem sechzehnjährigen Sohn, durch und durch norddeutsch und das erste Mal verliebt, dass wir nach Wien ziehen werden. Wir rufen den Freund mit dem Erbe an und fragen, ob sein Angebot, uns eine beträchtliche Summe zu leihen, noch steht. Wir rufen die Freunde in Wien an und fragen, ob ihr Angebot, bei ihnen einzuziehen, bis wir eine Wohnung haben, noch steht.

Dabei hatte alles so harmlos angefangen. Der verregnete Hamburger Sommer schlug uns aufs Gemüt, also quartierten wir uns für zwei Wochen bei Freunden in Wien ein. Faul im Garten rumliegen, hin und wieder ins Schafbergbad, Gastgarten, Heuriger, Freunde treffen – das war der Plan.
Ein Abendessen mit einem befreundeten Verlagsvertreter veränderte alles. Klatsch und Tratsch aus der Branche und ach, wie schade, dass ihr nicht in Wien wohnt und stellt euch vor, da hat so eine kleine Buchhandlung einfach zugesperrt, gute Lage, Stammkundschaft.
Nach ein paar weißen Spritzern ist völlig klar: Eine Traditionsbuchhandlung, die vor ein paar Tagen aus welchen Gründen auch immer einfach nicht mehr aufgesperrt hat, wird unsere Zukunft. Theoretisch zumindest. So eine kleine Buchhandlung in Wien, das wär doch was und je länger der Abend, desto logischer ist es – Die Buchhandlung ist unser!
Am nächsten Morgen erinnern wir uns dunkel an die Euphorie der Nacht, also geht´s nach dem Frühstück nicht ins Schwimmbad.
Nur mal schauen, ganz unverbindlich. Und tatsächlich: Eine Buchhandlung mit braunen Schaufensterrahmen aus den Siebzigern, hinter den verschmierten Scheiben vollgeräumte Schaukästen, drinnen alles dunkel und an der Tür ein handgeschriebener Zettel. Ab 1. August ist die Buchhandlung geschlossen: Wir bedanken uns bei allen Kunden für Ihre langjährige Treue.
„Ist ja eh eine Schnapsidee, aber du könntest doch mal rausfinden, was damit ist und wer die Besitzer sind?“ Oliver weiß immer ganz genau, auf welchen Knopf er bei mir drücken muss. Schon hänge ich am Telefon und spreche mit allen aus der Branche, die gerade nicht im Urlaub sind.
Eine Traditionsbuchhandlung sei das gewesen, zumindest in den Siebzigerer und Achtziger Jahren. Einem Sohn der Familie habe sie gehört zum Schluss, aber Genaues wüsste man nicht. Natürlich schaffe ich es, den Besitzer ans Telefon zu kriegen und zwei Tage später haben wir einen Besichtigungstermin. Ganz unverbindlich. Eh eine Schnapsidee. Aber schauen kann man ja mal. Und dann stehen wir in einem vierzig Quadratmeter großen, düsteren Raum, Regale bis zur Decke, ein schmutziger Plastikboden, Drehsäulen mit Büchern, eng und vollgeräumt, eine flackernde Neonröhre – und finden es gut. Also, natürlich finden wir es hässlich, aber irgendwie… es fühlt sich gut an. Im Hinterzimmer führt eine gusseiserne Wendeltreppe steil nach oben in eine Wohnung, die sich über die gesamte erste Etage des Hauses erstreckt. Also Wohnung wäre ein zu großes Wort. „Das Objekt wird nur zusammen vermietet“, sagt der Besitzer, ich sage „Danke, wir sind nicht interessiert“, und Oliver sagt nichts, bekommt glänzende Augen und geht die Zimmer mit großen Schritten ab. Ein Packraum mit Spinden fürs Personal und einem großen Tisch, Pappkartons, Waage, Frankiermaschine, dann ein großer Büroraum mit zwei alten Schreibtischen, die im geputzten und reparierten Zustand als „vintage“ durchgehen würden, ein Kopierraum, eine Dunkelkammer und dahinter noch ein paar kleine Zimmer, bis obenhin voll mit Büchern, Schachteln und Dekomaterial aus mehreren Jahrzehnten. Ein angegrauter Plastikchristbaum ragt grotesk aus einem Haufen Pappkartons und alten Büchern. „Schöne Wohnung“, höre ich meinen Mann murmeln und betrachte die Tapeten, auf denen man die Muster unserer Kindheit gerade noch erkennen kann. Ein Bastlerhit. Ich sage nichts.
Im grellen Sonnenlicht der Straße vor dem Geschäft wirkt alles wie ein absurder Traum und wir schweigen.“