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Knickerbockerbanden-Erinnerungsgeschichte

Eine meiner eindrücklichsten Kindheitserinnerungen geht so:
Ich bin ungefähr neun Jahre alt, es ist Sonntag und wir sind zu einem Diavortrag bei meiner Oma eingeladen.
Meine Oma hat drei Passionen: Reisen, dabei Fotografieren und dann nach ihrer Heimkehr die Dias ihrer Familie zu zeigen. Diese Diaabende dauern vierzig Stunden. Mindestens. Alterungsprozess währendessen: mindestens fünf Jahre.
Ich darf hier Joachim Meyerhoff zitieren, der in.Ach diese Lücke“ einen ebensolchen Abend mit folgenden Worten beschrieb:.Die Diaabenede die ich zusammen mit meinen Brüdern durchlitt, gehörten zu den langweiligsten Stunden meines Lebens“.
Nun, Joachim Meyerhoff hatte zumindest seine Brüder- und ich armes Einzelkind, verloren unter Erwachsenen? Ich hatte Thomas Brezina!
Meine Eltern müssen geahnt haben, welch entsetzliche Qualen der Ödnis diese Sonntage für mich bedeutet haben, denn als krönenden Abschluss für das brave Durchhalten eines solchen Nachmittages stand für mich die Hörkassette eines Knickerbockerbanden-Krimis in Aussicht
.
Noch heute sehe ich mich nach einem überstandenen Vortrag glücklich im Ohrensessel in Omas dunklem Kabinett sitzen, meinen Walkman auf den Knien und mir rieseln wohlige Schauer über den Rücken..Wenn die Turmuhr dreizehn schlägt“ heißt der aktuelle Fall der Knickerbocker und ich halte es kaum aus vor lauter Spannung. Manchmal bin ich kurz davor ins erleuchtete Wohnzimmer zurück zu rennen, aber dann bin ich doch tapfer und halte das Gruseln aus.
Schließlich bin ich ja auch Detektivin und Teil einer Bande, die ich zusammen mit Freundinnen gegründet habe. Wir ermitteln in unseren Wohnhausanlagen, schicken uns Briefe mit unsichtbarer Tinte und stellen Fingerabdruckpulver her.
Mittlerweile sind ein paar viele Jahre ins Land gezogen, die Reisen meiner hochbetagten Oma beschränken sich nun auf ihre eigenen vier Wände, die Dianachmittage sind Erinnerungserzählungen gewichen, aber den Ohrensessel gibt es immer noch.
Gerade ist es November, heute regnet es und am Abend wird die BuchWien eröffnet. Wir Buchmenschen sind alle am Messeglände und unterhalten uns über die bevorstehenenden Veranstaltungen. Plötzlich erzählt meine Kollegin, dass man heute gegen 23h30 noch wo hin müsste: Und zwar in die Buchhandlung Kuppitsch, denn dort würde Thomas Brezina heute seinen neuen Roman präsentieren. Ein neuer Fall für die Knickerbockerbande! Zwanzig Jahre später!

Eine halbe Stunde später stehen wir dort- und können es kaum glauben. Trauben von jungen Menschen stehen vor der Buchhandlung und warten geduldig auf Einlass, Thomas Brezina-Sprechchöre werden skandiert, die Stimmung ist ausgelassen.
Ich bemerke meine Rührung. Ich stehe dicht gedrängt in einer Menge von Leuten, die alle ihre eigene Knickerbockerbanden-Erinnerungsgeschichte mit sich herumtragen

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. Und wir sind alle hier um den Mann zu feiern, der uns diese Erinnerungen geschaffen hat. Ich werfe einen Seitenblick auf meine beiden Begleiterinnen, die fassungslos und amüsiert auf das dargebotene Spektakel blicken und freu mich. Darüber, dass sie da sind und diesen Moment mit mir teilen, darüber dass Michael Kratochvil von Kuppitsch eine coole Socke ist und uns im größten Stress wie Knickerbockerbanden-Geheimagentinnen durch die Hintertüre schleust. Dieser Text ist für euch- und natürlich auch für meine älteste Freundin Lisi.