Lesen ist wundervoll.

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Buchhandlung ohne Menschen …

2020

Es gab Zeiten in meinem Leben, da hatte ich ständig Existenzängste. Als 21jährige Alleinerzieherin ohne finanziellen Background, wusste ich oft gegen Ende des Monats nicht, wie sich das alles ausgehen soll. Und jetzt, dreißig Jahre später beichte ich: Ich habe einmal ein Paket Windeln (kein Klopapier!) im Drogeriemarkt geklaut und einmal ein Buch mitgehen lassen (dafür schäme ich mich immer noch).

Geschafft habe ich das alles, weil ich immer FreundInnen hatte, die mich unterstützt haben, oder besser gesagt, ich war in einem Netzwerk eingebunden, das ein einziges Geben und Nehmen war. Wer mehr hatte, hat gekocht, wer weniger Arbeit hatte, hat die Kinder gehütet, Kinderkleidung wurde hin- und her getauscht und die wenigen Urlaube fanden im Zelt statt und man kann auch jeden Tag Nudeln essen ohne gravierende Mangelerscheinungen zu haben.

Und dann hatte ich die nächsten dreißig Jahre immer Glück. Natürlich war auch Fleiß dabei, aber ohne Glück, hätte mein Leben bestimmt einen anderen Verlauf genommen.

Was sich aber nicht geändert hat, ist die Notwendigkeit, ein Netzwerk zu haben. Leute, die einem helfen, wenn es eng wird und Menschen, die mich rufen, wenn sie Hilfe brauchen.

Nun ist es wieder so weit: Als ich am Freitag von der bevorstehenden Schließung der Läden wegen der Corona-Pandemie gehört habe, war sie plötzlich da. Die Existenzangst. Wie sollen wir die Mieten bezahlen? Die Abgaben? Den Strom? Das Internet? Gut, man kann sein Leben auch wieder reduzieren, ich weiß, dass man nicht ins Restaurant gehen muss, dass man lange mit Nudeln und Reis überleben kann, dass man nicht jedes Jahr auf Urlaub fahren muss.

Und wir sind ein halbwegs gesundes Unternehmen, wir überleben diesen Alptraum eine Woche, auch zwei. Aber was wird, wenn es länger dauert? Und vor allem: Ich bin nicht mehr alleine mit einem Kind. Wir haben Familie, ein Sohn, der ab sofort auch keinen Job mehr hat, weil er für einen Bühnenbetrieb arbeitet, das kleine Kind hat gerade mit dem Studium begonnen. Aber noch gravierender ist: Wir haben Angestellte, die darauf angewiesen sind, ihren Lohn von uns zu bekommen. Und zwar regelmäßig und pünktlich. Sonst können sie wiederum ihre Mieten nicht bezahlen und so weiter. Der Gedanke, auch nur eine/n von Ihnen kündigen zu müssen, lässt mich stundenlang schlaflos im Bett liegen.

Doch da ist es wieder: Mein Netzwerk!

Meine MitarbeiterInnen, die mich (zumindest symbolisch) in den Arm nehmen und sagen: „Hey, auch das schaffen wir.“

FreundInnen, die mir innerhalb der letzten 24 Stunden angeboten haben, Geld zur Überbrückung zu leihen.

Menschen, die unseren Aufruf jetzt online bei uns zu bestellen, hundertfach geteilt haben.

Meine syrische Freundin (die inzwischen einen krisensicheren Apothekerjob hat), die mir sagt, dass es bei ihr immer genug Essen für uns gibt. (Nur Klopapier hat sie keines mehr)

Unsere ÄrztefreundInnen, die sich regelmäßig via Whatsapp erkundigen, wie es mir geht, dabei hab ich nur ein wenig erhöhte Temperatur.

KundInnen, die in den letzten offenen Stunden den Laden leer gekauft haben.

FreundInnen, Bekannte und fremde Menschen, die mir via Facebook ihre Buchbestellungen schicken.

Und nicht zuletzt mein Mann, der im Kopf bereits 25 Exceltabellen vorbereitet hat , mit Gipsarm im Laden steht und mich in einer kurzen Pause anlächelt und sagt: „Wir werden das überleben.“

Und wie ihr alle wisst, bin ich keine Kurz-Freundin und mache auch keinen Hehl daraus. Aber ich finde das, was unsere Regierung gerade macht, richtig. Unsere italienische Kollegin könnte euch erzählen, wie dramatisch die Lage bei ihr zu Hause ist.

Ich hoffe jetzt einfach nur, dass uns die Regierung nicht alleine lässt, mit diesem Berg an Ausgaben, ohne jeglichen Einnahmen. Und Rudi Anschober ist sowieso mein Held!

Bitte bleibt Zuhause, bestellt nichts bei Amazon und nehmt das alles ernst! Bitte!