Lesen ist wundervoll.

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… ach, ich weiß auch nicht. Ich liebe dieses Buch!

Jetzt habe ich lange das Buch durchgeblättert auf der Suche nach Sätzen, die ich zitieren könnte. Es ist sinnlos, denn ich würde hier ein Drittel des Buches abschreiben und das wäre dumm, ihr sollt es ja lesen. Vielleicht lasse ich mir einen Wandbehang besticken, mit einem Satz aus Lucy Frickes Buch „Töchter“, so ein schönes weißes Tuch mit blauem Kreuzstich. Bei meiner Oma standen erbauliche Sprüche drauf, ich würde dann einen Satz wählen wie:
Wir mussten Kinder gewesen sein, als wir noch glaubten, ein Longdrink Glas in unseren Händen würde uns durch die Nacht helfen.
oder
Schön war ich immer nur in der Vergangenheit.
Martha und Betty sind vierzig, schon immer beste Freundinnen und somit ist klar, dass Betty nicht kneift, als Martha sie anruft und bittet, sie und ihren Vater auf eine Reise in die Schweiz zu begleiten. Eine ganz besondere Reise, denn Marthas Vater Kurt hat sich sein Lebtag nicht um seine Tochter gekümmert, aber jetzt ist er alt, todkrank und allein, und wünscht sich eine letzte Reise mit seiner Tochter. Allerdings keine Vergnügungsreise, er hat einen Termin in einer Sterbeklinik in der Schweiz und seine Tochter soll ihn auf diesem letzten Weg begleiten, ob sie will oder nicht. Sie will eigentlich nicht, doch andererseits ist es ein letzter Versuch, Nähe zwischen ihr und dem stets abwesenden Vater herzustellen, also sagt sie zu. Aber nur, wenn Betty mitkommt.
Die allerdings hat auch ein Vaterproblem. Ihre Mutter setzte ihr mehrere Lebensabschnittspartner vor die Nase und einen davon hatte sie wirklich geliebt: Ernesto, einen Posaune spielenden Italiener, der sich leider aus dem Staub gemacht hat, als sie zehn war. Sie hat ihn nie vergessen.
Die zwei Frauen packen den alten, sterbenden Kurt auf den Rücksitz seines alten VW-Golfs und machen sich auf in Richtung Schweiz, doch er überlegt es sich anders und will auf halber Strecke lieber an den Lago Maggiore zu einer verflossenen Geliebten. Also, Planänderung – Italien. Betty setzt Martha und Kurt in einer verfallenen Pension ab und fährt in ein kleines italienisches Kaff, in dem sich angeblich Ernestos Grab befindet.
Und wie das Ganze dann mit allen Beteiligten auf einer kleinen griechischen Insel in der Wirtschaftskrise endet, das müsst ihr selber lesen.
Lucy Fricke hat mit „Töchter“ einen Ton gefunden, den man nur bewundern kann: Themen, die geradezu prädestiniert wären, in einem Schmalztopf der Gefühle zu ertrinken:
1.) Zwei Frauen, die nicht mehr jung und sexy sind, aber auch nicht die lustigen Witwen in den Wechseljahren, die es noch einmal wissen wollen, 2.) Sterben, 3.) unerfüllte Lieben 4.) unerfüllter Kinderwunsch 5.) abwesende Väter und 6.) lebenslange Sehnsucht nach einer heilen Familie – das sind die Leitmotive und trotzdem ist dieses Buch an keiner Stelle wehleidig, psychologisierend, esoterisch oder banal. Es ist lustig! Klug und pointiert und lustig und Martha und Betty sind Frauen, die ich kenne. Ganz sicher! Sie sind meine Freundinnen, sie sind echte Menschen, sie reden so, sie denken so, sie leben so.
Sie rauchen, sie trinken, sie basteln an ihren Lebensentwürfen, als wären sie Ende Zwanzig und wirken doch niemals peinlich jugendlich. Und sind auch nicht kleine, schwache Frauen, die ihre Falten betrachten und ihren Hormonstatuts ängstlich beobachten, denn mit vierzig könnte man ja annehmen: Besser wird es nicht mehr. Martha und Betty machen einfach ihr Ding, so wie man es mit Zwanzig gemacht hat, oder mit Dreißig. Und eben mit Vierzig auch und vermutlich noch mit Fünfzig oder Sechzig. Irgendwie weiterwursteln und ein bisschen nachdenken, aber nicht zu viel. Miteinander reden, füreinander da sein, rauchen, Gin Tonic trinken und… ach, ich weiß auch nicht. Ich liebe dieses Buch!